I want to bleed free!

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Fotos: Martin Voigt und Jakob Wierzba

Für meinen Bachelor arbeitete ich mit meiner Kommilitonin Kei Kuroda zusammen. Gemeinsam entschieden wir uns für das freie Thema „Menstruation“. Zwar sind wir nicht die ersten, die sich mit der Thematik auseinandersetzen, trotzdem haben wir das Gefühl, dass sie unterrepräsentiert ist. Obwohl wir in einer vermeintlich aufgeklärten Gesellschaft leben, erscheint es uns nachwievor als Tabu und/oder ist oft negativ besetzt. Das Buch „Die unpässliche Frau – Sozialgeschichte der Menstruation und Hygiene“ von Sabine Hering und Gudrun Maierhof lehrte uns, dass die Monatsblutung etwa bis zum letzten Drittel des 20. Jahrhunderts überwiegend als etwas Negatives betrachtet wurde, was mit der über Jahrtausende andauernden Unterdrückung der Frau einherging. Sogar die erste Ausgabe der 1979 gegründeten französischen Zeitschrift „Courage“ zum Thema Menstruation löste noch einen Skandal aus. Und auch der Einzug der Tampons in den 1950er Jahren verschleierte mehr als aufzuklären: Das in der Werbung dargestellte Blut ist blau. Und noch heute sind Menstruationsartikel mit der Luxussteuer belegt.
Je weiter wir uns mit dem Thema befassten, umso mehr eröffnete sich uns jedoch auch eine gegenteilige Welt: je offener wir damit umgingen, desto mehr wurde mit uns offen darüber gesprochen und auch in den Medien begegneten wir mehr und mehr „Period Positivity“. Eines der ersten Werke, das wir entdeckten, war das Buch „Ebbe und Blut“, welches als Bachelorarbeit der beiden Grafik- & Illustrationsdesignerinnen Luisa Stömer und Eva Wünsch an der TH-Nürnberg entstanden ist. Beide beschreiben in ihrem Buch die Vorgänge des weiblichen Zyklus in einer sachlichen, verständlichen und vor allem positiven Sprache und wirken einer zu starken Ernsthaftigkeit mit einer Gestaltung mit Witz und Humor entgegen.
Eine weitere Heldin unserer Zeit ist für uns die Musikerin Kiran Ghandi. 2015 wollte sie am Londoner Marathon teilnehmen, für den sie ein ganzes Jahr lang trainiert hatte. Ein Tag vor dem Marathon setzte ihre Periode ein und sie überlegte, was sie am nächsten Tag tun solle: Tampons sind beim Rennen unangenehm und rutschen möglicherweise heraus, Binden sind noch störender. Kurzum entschloss sie sich, dass Blut einfach laufen zu lassen, ohne es mit einem Hilfsmittel aufzufangen. Sie praktizierte „free bleeding“ und lief damit gegen die Tabuisierung des Themas und für all jene Frauen, die nach wie vor aufgrund ihrer Menstruation benachteiligt werden.
Inspiriert von all den starken menstruationsbejahenden Frauen, entwickelten wir nun unsere Textilkollektion. Im Vordergrund stand für uns das Thema Menstruation positiv aufzuwerten und mit Humor zu begegnen. Herausgekommen sind Textilien mit drei unterschiedlichen Motiven, welche entweder mit der Technik des Webens oder der Technik des Siebdruckes umgesetzt wurden.
Das erste Design zeigt rote Wellen und wurde in verschiedenen Versionen am Jacquardwebstuhl hergestellt. Zwar scheint das Symbol der roten Wellen im ersten Moment zu naheliegend, bezieht sich aber auch auf die angesprochene „Theorie der Wellenbewegung“ aus dem zuvor erwähnten Buch „Die unpässliche Frau“. Hier beschreiben die Autorinnen eine Aussage von Theodor van de Velde aus der Niederschrift „Die vollkommene Ehe“ (Leipzig/Stuttgart 1927), die besagt, dass „sich das Leben der Frauen in Wellen [vollziehe], vergleichbar mit den Gezeiten. […] Den Übergang von der ‚Flut zur Ebbe‘ bilde der Eisprung.“ Denkt man sie positiv, symbolisieren sie Schwung, Erneuerung, Kraft.
Ähnlich dem Bild der roten Wellen verhält es sich mit der Symbolik des Mondes/der Mondphasen. Heutzutage weiß man, dass die Mondphasen nicht den Zyklus der Frauen bestimmen, trotzdem ist man erstaunt über die Parallelität. Die Menstruation und der Lauf des Mondes sind beide einem Zyklus, einer etwa monatlichen Repetition unterlegen und erzeugen gewissermaßen Gezeiten (hier auch wieder der Bezug zu den Wellen). Des Weiteren ist der Mond bekanntermaßen eine Metapher für die Frau und ihre menstruative Mystik. Das Motiv der Mondphasen wurde mit Hilfe eines Linolschnittes erstellt und diente als Grundlage für siebgedruckte und jacquardgewebte Textilien. Bezüglich der Technik des Siebdruckes arbeiteten wir mit dem Ätzdruck, dem Foliendruck und dem Pigmentdruck – wobei wir bei letzterem spezielle Pigmente der Firma Merck zur Verfügung gestellt bekamen. Durch deren leichten Glanz konnte die mystische Anmutung des Mondes sehr gut umgesetzt werden.
Ein weiteres Motiv bildet Uteri ab. Das Design wurde aus Scherenschnitten heraus entwickelt undvauch jacquardtechnisch hergestellt. Erscheint das Motiv auf den ersten Blick ebenfalls plakativ, wirken wir diesem Umstand mit Witz entgegen: die Uterui sind farblich rot gefüllt, wobei einige im Inneren mit roten Flottungen versehen sind. Diese wurden dann vereinzelt aufgeschnitten, so dass siejetzt aus dem Uterus heraushängen und die Menstruationsblutung symbolisieren.
Zuletzt fertigten wir Siebducke mit unserer zuvor erwähnten Heldin Kiran Ghandi. Wir zeigen sie beim Jubeln nach Erreichen der Zielgeraden mit blutdurchtränkter Hose. Die Drucke fungieren als Patches zum Aufnähen, damit jede_r sie als Heldin feiern kann.
Aus den hergestellten Meterwaren fertigten wir anschließend Kleidung, um die Textilien in einer ihrer möglichen Anwendungen zeigen. Dabei beschränkten wir uns auf eine sehr einfache Schnittkonstruktion, um den Fokus auf dem Textildesign zu belassen. Die Kollektion ist unisex und auch als Mode während der Menstruation geeignet, da sie nicht einengt. Nach japanischem Vorbild formt der Körper die Kleidung und nicht umgekehrt. Außerdem funktioniert Bekleidung als Statement: der_die Träger_in eines Oberteils mit Uterus-Motiven öfnet so einen Diskurs und/oder zeigt, dass es etwas ganz Selbstverständliches ist. Das Thema fndet Eingang in den Alltag.
Zusätzlich fertigten wir noch Taschen und Schals, um die Kollektion abzurunden. Die Taschen sind auch mit sehr einfachen Schnitten hergestellt und die Schals wurden am Dreherwebstuhl handgewebt. Dabei wurden die Kettfäden des Webstuhls so eingezogen, dass im Schuss unterschiedlich große Flottungen entstanden, gleich dem Verlauf des weiblichen Zyklus. Ein Schal schimmert je nach Reflexion in unterschiedlichen Rottönen als Metapher für die Menstruation, der andere Schal zeigt die Emotionen, die eine von uns während eines Monats durchlief. Jedes Garn steht dabei für einen anderen Gemütszustand und untersucht den Einfluss der Hormone über einen Zeitraum von einem Monat.

The collection on display is the bachelor thesis of me and my fellow student Kei Kuroda. We decided to work together, because of our shared interest in feminist topics – in this case “menstruation”. Although we believe to live in an enlightened society, we feel that it is still underrepresented and taboo. From the book “Die unpässliche Frau – Sozialgeschichte der Menstruation und Hygiene” by Sabine Hering and Gudrun Maierhof we learned that the period had been seen as something negative since Ancient Greece and that it was highly connected to womens suppression. We also got to know that the first issue of the french magazine “Courage” on the subject of menstruation still caused a huge scandal – in 1979! And the introduction of tampons to the market in the 50s was no help for period enlightenment either: the blood shown in advertisements was (and still is!) blue. Even today menstrual “hygiene” products are treated as luxury.
But we also came across of recent “period positivity” in our research, like the book “Ebbe und Blut” by Luisa Stömer and Eva Wünsch. A result of a bachelor thesis of their graphics and illustration studies, the book describes the process of menstruation in a factual, understandable and most importantly positive language and pairs the descriptions with humorous designs.
Kiran Ghandi is another hero of ours. She is a musician and athlete. In 2015 she wanted to take part in the London Marathon to mark one year worth of training. One day before the marathon she got her period and felt helpless. She knew that tampons and sanitary napkins are quite uncomfortable when running long distances. Bluntly she decided to just run without anything to absorb her blood. She just “let it bleed” and ran for all women who are still disadvantaged because of their monthly bleeding: “A marathon in itself is a centuries old symbolic act. Why not use it as a means to draw light to my sisters who don’t have access to tampons and, despite cramping and pain, hide it away like it doesn’t exist?”
Inspired by all these period positive women, we developed our textile collection, to bring positivity (and humour) to the discussion about menstruation . We came up with three motives, which we then realised on a Jacquard loom or as screen prints.
The symbol of red waves might seem obvious at first glance, but it also relates to the “theory of wave movement” mentioned in the book “Die unpässliche Frau”. There, the authors quote doctors from around 1930, which state that a woman’s life runs in waves comparable to tides, and that the transition from low tide to high tide resembles ovulation. Although these statements were certainly not “period positive”, we still liked the picture of red waves. Taken positively, they resemble energy, renewal and strength by being rhythmic and smooth at the same time.
The “lunar phases” design works in a similar fashion: nowadays it is known that the moon has no impact on the period, still the parallelism is astonishing. Both the period and the phases of the moon are cyclical – a monthly repetition – and both produce a certain (wave-like) tide. The moon is also known to be a metaphor for the woman and her “myth of menstruaton”. The lunar phases design was created by linocut and served as base for screen printed and Jacquard woven textiles. As to screen printing technique we worked with discharge, foil and pigments. The company Merck provided us with certain effect pigments, their iridescent gloss helps to convey the moon’s mystic impression.
Another jacquard design depicts uteruses. We counteract its conspicuousness with wit: the uteri are red on the inside and some of them are float stitched. We cut some of the floatin threads – now they hang out of the uterus and symbolize the period.
In addition we made screen prints with our heroine Kiran Ghandi. We show her cheering after successfully crossing the finish line with trousers soaked in blood. The prints function as patches for everyone to sew on and celebrate her as hero!
Finally we created clothes from our readymade textiles to show them in one of many possible uses. We constrained ourselves to a very basic pattern to focus on the textile design. To value the textile itself we also decided to keep the selvedges, or even to emphasize them. The collection is unisex and not confining – it can be worn while on one’s period. According to japanese tradition the body gives shape to the garment and not the other way around. Fashion works as statement: the wearer of a top with uterus motives starts a discussion while also normalizing the subject by establishing it as part of everyday life.
To top off our collection we made bags and scarfs. The bags are made, again, with very easy patterns and the scarfs were handwoven on the leno loom. Here, we modified the warps to create floats of different lengths – to resemble the course of the female cycle. One scarf shimmers in different shades of red as a metaphor for the period, the other one logs the emotions that one of us faced during the different phases of her menstruation. Each yarn represents another mood and codifies the influence of hormones over the timespan of one month.